Wie Emma Stofflöwe verliert

Emma nimmt den selbst gehäkelten Fahrradhelm aus ihrem kleinen rosa Rucksack und versucht angestrengt meine wuschelige Mähne darunter zu verstauen. Nachdem alles untergebracht ist, betrachtet Emma ihr Werk, lächelt zufrieden und schließt den Knopf unter meinem Kinn. Die hämischen Blicke der anderen Kuscheltiere entgehen ihr dabei. Mich hingegen treffen sie tief und ich freue mich auf den Tag, an dem Fahrradhelme auch für Kuscheltiere Pflicht werden.

„Nun beeil dich.“ drängelte Tom, Emma’s großer Bruder, hinter ihrem Rücken hervor. Im gleichen Zuge nimmt er ihren Rucksack von der Bank und riss mich am Bein hoch. Nun baumelte ich Kopfüber neben dem Rucksack her. Mit der anderen Hand nimmt er Emma‘s kleine Hand und zieht sie hinter sich her bis zu den Fahrrädern. „Los, auf gehts.“ kommandiert Tom erneut. Den Rucksack wirft er in den Fahrradkorb hinter seinem Sattel. Mich hingegen klemmt er bäuchlings mit dem Gepäckträger auf Emma‘s Fahrrad fest. „Das wird keine schöne Heimfahrt“, denke ich so bei mir und bin froh, dass es die letzten Tage nicht geregnet hat. So muss ich zu Hause wenigstens nicht in die Waschmaschine, weil ich voller Schlamm wäre. „Auf jetzt“, drängelt Tom mit leicht gereiztem Unterton und schwingt sein Bein mit beeindruckender Leichtigkeit über den Sattel seines Rades. Bei Emma sieht das alles noch etwas ungelenk aus. So lange konnte sie noch gar nicht Fahrrad fahren und benötigt auch noch Stützräder an den Seiten, für den Fall, dass Sie mal das Gleichgewicht verliert oder träumt. Letzteres kam allerdings deutlich häufiger vor. Emma ist ein sehr verträumtes Kind mit einer schier endlosen Phantasie.

Emma und Tom strampeln los. Auch wenn es Tom eilig hatte war er so verantwortungsvoll, dass er Emma in der Stadt vor sich herfahren lies. So konnte er sie hin und wieder aus ihren Träumen herausreißen, bevor es gefährlich wurde. Tom gab zwar stets den leicht genervten großen Bruder, liebte er seine kleine Schwester jedoch über alles und verbrachte recht viel Zeit mit ihr. Und auch Emma liebte ihren großen Bruder sehr.

Als die Häuser sich lichteten, führte sie der Weg auf einer Straße entlang, die den Wald von den Wiesen trennte. Leider wurde die Straße immer schlechter, so dass mir so einklemmt auf dem Gepäckträger ganz kodderich wurde. Ich schloss die Augen und hoffte, dass wir bald zu Hause sind. Auf einmal hörte das unregelmäßige Hubbeln auf. Auch hörte ich Tom und Emma nicht mehr sprechen. Ich öffnete meine Augen und erschrak. „Oh nein, oh nein, oh neiiiiiin“. Wo sind Emma und Tom, und warum liege ich im Gras? Ich muss vom ganzen Gehubbel aus dem Gepäckträger gerutscht sein und den beiden ist es nur noch nicht aufgefallen. Am besten wird es wohl sein, wenn ich mich hier unter den Baum setze und warte, bis sie mich abholen.

So verging die Zeit und die Sonne versank am Horizont. Aber niemand kam vorbei, um mich abzuholen. Es kam auch sonst niemand vorbei. Als die Sonne versunken war, wurde mir etwas kalt. „Ich rolle mich wohl langsam zusammen, um ein wenig zu schlafen“, murmelte ich in meine Mähne. „Aber nur ein bisschen. Vielleicht so fünf Minuten. Ich will ja auf keinen Fall verpassen, wenn Emma und Tom mich abholen kommen.“

Fortsetzung folgt …