So schön war Karneval noch nie

„Duuuu Stofflöwe“ sagt Emma auf einmal. Ich erschrecke mich ein bisschen, da ich dachte, dass sie noch schläft. „Ja, Emma?“ flüster ich fragend zurück. Vielleicht habe ich mich ja auch getäuscht und sie hat gar nichts gesagt. Ich sollte einfach nicht so viel an Bruno denken. Ihm geht es doch bei Hilde sehr gut und Rosi kümmert sich rührend um ihn. „Geht es Bruno wirklich schon besser?“ fragt Emma dann jedoch mit einem besorgten Unterton. „Ja, Bruno geht es schon viel besser.“ antworte ich beruhigend. Dann füge ich noch hinzu: „Er wird sicherlich wieder der alte werden. Hilde ist wirklich ein Genie. Die Farbe verschwindet langsam aus seinem Plüsch und Rosi kümmert sich um den Spaß. Du kennst sie ja.“ Ich bin erleichtert, da Emma nun kichert.

„Na, was wird hier denn schon so früh gekichert?“ fragt Emma’s Vater, als er die Tür öffnet. „Ach, Stofflöwe hat mir gerade erzählt, dass es Bruno schon viel besser geht.“ „Davon kannst du dich doch heute selbst überzeugen. Heute ist doch der große Karnevalsumzug und wir gehen alle gemeinsam hin. Und Bruno ist auch dabei.“ antwortet ihr Vater. „Aber dazu musst du jetzt aufstehen und frühstücken, damit wir los können.“fügt er noch hinzu. Das lässt sich Emma natürlich nicht zwei Mal sagen und springt aus dem Bett. Im letzten Moment kann ich noch nach dem Zipfel von ihrem Oberbett greifen. Der Schwung, mit dem sie das Oberbett zurückschlägt, hätte mich sonst im hohen Bogen aus dem Bett geschleudert. Das wäre ein Anblick gewesen.

Zum Glück hat Emma’s Mutter das Frühstück schon vorbereitet. Emma mümmelt es schnell weg und trinkt ihren Kakao. „So dann wollen wir dich mal waschen und dann helfe ich dir bei deinem Kostüm.“ sagt Emma’s Mutter mit einem Lächeln. Emma rutscht von der Bank und geht mit ihrer Mutter ins Bad. Nach einer kleinen Weile kommen beide in ihren Kostümen zurück ins Esszimmer. Auch Emma’s Vater und Tom haben sich zwischenzeitlich umgezogen. „Ja, wir können los und Hilde und die anderen abholen.“ sagt der Vater nach einer kurzen Prüfung.

Ich bin schon ganz aufgeregt. Bei meinem letzten Besuch bei Hilde hatte sie mir erzählt, dass dies die einzige Gelegenheit im Jahr ist, an dem alle in ihrer normalen Gestalt unter die Leute gehen können. Hilde muss uns nur auf die Größe eines Menschen bringen. Das wäre das erste Mal in meiner ganzen Zeit als Kuscheltier, dass ich mich einen ganzen Tag lang ohne aufzupassen, bewegen und sprechen kann. Was für eine Vorstellung.

Rosi öffnet ebenfalls ganz aufgeregt die Tür, als wir klingeln und umarmt einen nach dem anderen. Als Hilde in der Tür erscheint sagt sie: „Kommt doch alle erst einmal herein.“ Rosi dreht sich daraufhin um und hüpft ins Haus. Wir folgen ihr und bleiben in der großen Halle stehen. „So, Stofflöwe, Uff, Toni, Rosi, Bruno und Ferdinand bitte einmal in die Mitte treten, damit ich euch etwas größer machen kann. Danach können wir auch schon los.“ Niemand sagt ein Wort und wir sechs treten vor. Wir greifen uns an den Händen und bilden einen kleinen Kreis in der Mitte des Raumes. Dann pritzelt es etwas und ich merke, wie ich wachse. Als das Pritzeln nachlässt schaue ich an mir herunter. Ich sehe ja noch genauso aus, wie vorher, nur etwas größer.

Dann blicke ich auf und schaue, was die anderen machen. Ihnen scheint es, wie mir zu gehen. Bis auf Toni natürlich, der stets die Haltung wahrt. Aber man merkt auch ihm die Erleichterung an. Was auch verständlich ist. Denn Uff hatte mir in der letzten Woche erzählt, dass dieses das erste Mal ist, dass Hilde diesen Zauber an Lebewesen anwendet. Vorher hat sie immer an anderen Dingen geübt, da sie den Spruch erst vor Kurzem gelernt hat.

Geschlossen machen wir uns auf den Weg zum Karnevalsumzug. Wir stellen uns gleich am Anfang an den Straßenrand an eine schöne Stelle. Hier können wir alles sehr gut sehen. Emma hüpft vor Begeisterung um die kleine Gruppe herum, bis ihr Vater sie auf seine Schultern setzt. „So kannst du besser sehen.“ sagt er zur ihr. Emma nickt. Ich habe so die Gelegenheit mich zu Bruno, Rosi, Uff und Toni zu stellen. Darauf habe ich mich den ganzen Tag schon gefreut. Wir können ausgelassen miteinander plaudern. Und das Wetter spielt auch noch mit. Es ist trocken und die Sonne scheint auch ein bisschen.

Der Karnevalsumzug ist herrlich. So viele bunte Wagen und die unterschiedlichen Fußgruppen, sind prima. Einige werfen sogar mit Süßigkeiten. Emma’s Mutter gibt Emma zum Fangen ihren kleinen Regenschirm. Den kann sie öffnen und mit der Unterseite nach oben hochhalten. Die Ausbeute ist wirklich beachtlich. Am Abend wird sie sie sicherlich wieder in ihrer Schatzkiste bunkern. Bisher hat sie jedoch nie mitbekommen, dass ihr Vater ab und an ihren Schatz etwas plündert. Oder sie lässt es sich nicht anmerken.

Auch Bruno scheint es gut zu gefallen. So ausgelassen habe ich ihn wirklich sehr lang nicht mehr gesehen. Es muss ihm wirklich besser zu gehen. Rosi hat daran sicherlich einen großen Anteil. Sie reißt ihn immer wieder aus seinen Gedanken, sobald er anfängt zu träumen. Und Bruno lässt es zu. Die beiden sind wirklich ein gutes Team. Unwillkürlich muss ich bei diesem Anblick lächeln.